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Eisbrecher 2014
            Toleranz ist gut, aber nicht gegenüber den Intoleranten
                                                            Wilhelm Busch


Köln, MS Rhein Energie 20.12.2014


2011 spielt man das höchstmöglichste Konzert Deutschlands auf der Zugspitze und 2014 legte Eisbrecher und das Protain-Team mit einem besonderen Event, den 2 Rheinfeier-Konzerten, nun nach. Ziel der Band ist es, sich immer wieder an speziellen Orten mit speziellen Menschen außerhalb der normalen Konzerttouren zu treffen. Und da hat man mit der MS Rhein Energie, das Eventschiff Europas, für 2 Konzerte gechartert. Der rießige 90 Meter lange und 19 Meter breite Katamaran mit Hauptdeck, Oberdeck und Sonnendeck macht mächtig was her und mit der großzügigen Bühne im Inneren ist das Eventschiff eine ideale, einmalige Konzertlocation für Eisbrecher. Zwar kann man überall lesen, wie toll das Schiff für Events gegeignet ist, trotzdem war das ganze logistisch eine echte Herausforderung und ein Wahnsinns-Aufwand für die Band und Crew. Allein 12 Tonnen Material, angefangen von Licht- bis Tontechnik wurden im Schiff für die 2 Konzerte verbaut und garantierten besten Ton und die bei Eisbrecher Konzerten schon gewohnte legendäre Lichtshow.
Witzigerweise hat man gar nicht mitbekommen, dass man während des Konzertes am Rhein unterwegs war, wenn man nicht einmal Zeit gefunden hat, den Blick von der Bühne zu lösen und durch die vielen Fenster des Schiffs zu schauen, oder im Freien stehend sich den heftig blasenden Wind an diesem Abend um die Ohren wehen zu lassen. Dazu hatten aber die wenigsten Besucher wirklich Muse, zu beeindruckend war das, was Alex Wesselsky, Noel Pix, Rupert Keplinger, Jürgen Plangger und Achim Färber an diesem Abend ablieferten. Wenn man Plangger schon einmal mit A Life Divided und den Österreicher Keplinger mit Darkhaus erleben konnte, kann man allein bei den beiden schon ganz gut abschätzen was die Eisbrecher Band an musikalischer Qualität auf die Bühne bringen kann, ganz zu schweigen von Bandchef Wesselsky, aber dazu später mehr.
Kurz nach 20.30 Uhr wurde abgelegt und kurz nach 21.00 Uhr betrat dann die Vorband ganz in weiß die Bühne, die in der Zukunft in der Schwarzen Szene durchstarten will. Ob man sich hier von einem Auftritt aus der Historie des Schiffes hat inspirieren lassen, die Deutschlands bekannteste Blondine auftreten ließ, die inzwischen mächtig in der Schwarzen Szene landen will (und sich immer noch Heino nennt), konnte gestern nicht abschließend geklärt werden. Aber im Gegensatz zum Enziangrufti, der den Imagewandel mit aller Macht und nun einer zweiten Platte vorantreibt, wird es das Schlagerduo Alex und Jürgen wohl nicht noch einmal geben. Und so standen sie wie Udo Jürgens es so schön besungen hat "Ganz in Weiß" in ihrem Kapitänsoutfit auf der Bühne und kalauerten sich durch 20 Minuten Programm und musizierten sich durch die Schlagerwelt, angefangen bei Tränen lügen nicht, über Santa Maria bis zu Ti Amo, bei der der Alex sein italienisiches Temperament erstmals entdeckte und zur Höchstform auflief. Wie auch das Publikum, das den Spaß begeistert mitmachte und auch kräftig mit allerlei Instrumenten eingebunden wurde, die man im Publikum verteilte und die diese mit nach Hause nehmen durften. Und um Weihnachten nicht ganz aus den Augen zu verlieren, gaben die 2 Traumschiff-Stewards noch eine Version von Stille Nacht zum besten.
Aber nicht nur musikalisch, auch verbal war das höchst unterhaltsam wie z.B. die Frage was ein Agnostiker ist, was sowohl Cindy und Bert äh Alex und Jürgen genauso wenig wirklich beantworten konnte, wie das Publikum. (Nur der Vollständigkeit halber ein Agnostiker ist ein Mensch, der so viel über die Existenz Gottes nachdachte, bis er deprimiert bemerkte, dass es keine zufriedenstellende Antwort gibt-zum Glück gibts Wikipedia.)
Und neben der Erkenntnis, dass Martinas Hornspiel noch durchaus ausbaufähig ist, bleibt auch die, dass Alex auch als Falco-Kopie glänzen würde, als Komiker seine Qualitäten hat und trotz allem Klamauks auch Wichtiges und Ernstes versteht großartig an die Frau oder den Mann zu bringen. Beste Unterhaltung war das und nach einer kurzen Pause und der Melodie des A-Teams betrat dann das E-Team die Bühne und das große Eisbrecher-Kino begann mit "Kein Mitleid". Und trotz aller Neuen Deutschen Härte lohnt es sich auch bei den Texten zuzuhören und einmal nachzudenken wie beim zweiten Song
Willkommen im Nichts. Zitat:
Wir sind so schön
Wir sind so jung
Unendlich geil
Wir sind so dumm
Wir sind verwöhnt
und elegant
Wir sind brutal
und doch charmant
Wir sind so hip
Wir sind so cool
Ein bisschen bi
Ein bisschen schwul
Wir sind so wild
und so versiert
Knallhart und
perfekt programmiert
Und weiter gehts mit Antikörper und 1000 Narben, Singleauskopplung vom kommenden Album Schock, auf das man überraschender Weise sehr sehr dezent hingewiesen hat. Aber viel Werbung bedarf es eh nicht, das bisher hörbare, sowie das großartige Artwork lassen großes erwarten, kein Wunder dass der Sonic Seducer Server beim Freischalten vom neuen Song 2 "Zwischen uns" gleich die Grätsche machte, soviele wollten die Videopremiere miterleben.
"Augen unter Null", "Amok", "Eiszeit" und der das Borderline Syndrom thematisierende Song "Leider" begeistern ebenso wie "Prototyp" mit cooler Bühnenshow. Überhaupt lässt diese kaum Wünsche offen. Ob mit Trachtenhut, der Janker blieb in der Kabine, mit Russenmütze, die Russen haben es ihm an diesem Tag eh angetan oder mit Kapitänsmütze, die er dann doch nicht aufsetzte wegen des "entsetzlichen" Supports der sie bereits getragen hat, hingucken ist bei Eisbrecher Pflicht, schon allein deshalb weil Martin Heining die Band wieder so großartig ins rechte Licht rückte.
Nicht nur bei Himmel, Arsch und Zwirn wurde er deutlich, sprach auch aus, was er von seinen Besuchern erwartet, z.B. dass sie sich nicht einfach vor einen Karren wie die Pegida Bewegung spannen lassen und so ist This is Deutsch den es als letzten Song vor der Zugabe zu hören gab, auch sicher keine Werbebotschaft für die NPD, denn auch während des Konzerts wurde mehrfach überdeutlich, was man von Rechter Gesinnung hält.
Aber trotz manch Ernstem kam auch der Humor nicht zu kurz, z.B. als Alex im Publikum einen Herrn mit Freundin und nacktem Schädel entdeckte und das, mit Blick zum Drummer, mit dem Satz "es gibt noch Hoffnung (für Glatzköpfige)" kommentierte. Oder Korinth 205 zitierte, wo geschrieben steht "Kommet zu Zehnt" und er süffisant  "Ist ne Weile her" folgen lies. Oder als er, der Haarlose,  betonte dass er seine Haare wieder mit Gel schön gemacht hat, auch in Anspielung auf das Neue Video der Band und die Reaktionen darauf.
Obwohl man es den ein bißchen selbstverliebten Bandchef eigentlich nicht sagen sollte um seine Selbstverliebtheit nicht noch zu steigern, aber Alex Wesselsky ist live eine echte Attraktion. Einer der selbst beim Singen mitten im Song schon mal einen Zuschauer auf der Empore die Hand gibt und ein "guten Tag mein Herr " in den Song einbaut oder dem beim Singen und Blick ins Publikum ein "Mensch du hast aber auch schöne Haare" entfährt gibt es selten. Eine gehörige Portion Selbstironie, viel Witz und Charme und ein Nikolaussack voll mit Charisma und Sexappeal, nicht zu vergessen seine 1000 Gesichter von denen ein Till Schweiger nur träumen kann machen den Eisbrecher Frontmann mit zum Besten was die U-Musik live so zu bieten hat. Und das auch, wenn man nicht unbedingt ein Neue Deutsche Härte Fan ist. Denn auch die werden ihren Spaß haben und der eine oder andere Discoklang versteckt sich ja auch in der Eisbrecher Musik. Und rappen kann er ja auch, wenn er bei Miststück im Falcostil den Majasong runterrappt.
Man könnte noch viel schreiben von einer denkwürdigen Veranstaltung, nicht vergessen sollte man vor allem aber auch das Eisbrecher-Engagement für Skate Aid, eine Hilfsorganisation die Kinder und Jugendprojekte in Krisengebieten und sozialen Brennpunkten fördert und verwirklicht, z.B. zuletzt einen Skatepark in Bethlehem/Palästina. Wie sagte er so schön über Skate-Aid "wir sind ne schwarze Band, deshalb helfen wir schwarzen Jugendlichen" und so hat man eine Tombola zusammengestellt, bei der jedes Los gewinnt und die Eisbrecher mit vielen tollen Merchandise Utensilien bestückte und man Karten u.a. für das Amphi Festival und das E-tropolis gewinnen konnte.
Pünktlich geplant auf die Minute um 23.55 als die Band die Bühne gerade verlassen hatte legte das Schiff dann wieder an und wer Lust hatte konnte bei Schwarzen Klängen mit der Band noch bis 02.00 Uhr eine zünftige Aftershow-Party feiern.
Eine großartige Veranstaltung die unglaubich Lust auf die anstehende Tour die Ende Februar 2015 beginnt macht. Wer Eisbrecher noch nicht gesehen hat, sollte sich unbedingt aufmachen, es lohnt sich wirklich. Und die anderen werden es sich eh nicht nehmen lassen, auch dann wieder dabei zu sein.


 

Und nun das Konzert in Bildern































































































































































































































































































































mal ein Blick aus dem Fenster des Schiffes-genau zur rechten Zeit





































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